Die Experten vom bundesweiten Pflegenetzwerk (BWPN) müssen nach abgelehnter Pflegestufe bei Kindern oder falscher Einstufung in eine Pflegestufe bei Kindern, bei der Prüfung und Bewertung von MDK-Gutachten immer wieder feststellen, dass die Begutachtungsrichtlinien (BRi) von den Verantwortlichen in unfassbarem Umfang ignoriert, bzw. falsch interpretiert werden. Abgelehnte Pflegestufen bei Kindern gibt es selbstverständlich auch bei Privat Versicherten und daher gilt es gleichermaßen auch für die MEDICPROOF-Gutachten.

Wer „Böses“ denkt könnte zum Schluss kommen, dass die Pflegekassen der Meinung sind, dass die Pflegekassen ausschließlich für die Pflege alter Menschen gedacht ist.

Liebe Eltern und Pflegeeltern,

geben sie sich nicht mit einer Ablehnung der Pflegestufe oder der inzwischen sehr „beliebten“ Pflegestufe 0 zufrieden!

Der häufig von den Verantwortlichen in der Begründung vorgeschobene allgemeine Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf zählt bei richtlinienkonformer Auslegung sehr häufig zur Grundpflege. Das Kinder einen Betreuungsbedarf haben, ist unstrittig. Entscheidend ist, ob der krankheitsbedingte, pflegerische Hilfebedarf zusätzlich eine Beaufsichtigung bei den „Verrichtungen“ der Grundpflege erforderlich macht.

An einem aktuellen Beispiel unserer täglichen pflegefachlichen Unterstützung bei abgelehnter oder falscher Einstufung einer Pflegestufe bei Kindern, zeigen wir auf, dass ein Widerspruch mit professioneller Hilfe sinnvoll ist.

In diesem Fall handelt es sich um einen Jungen im Alter zwischen sieben und acht Jahren. Die pflegebegründende Diagnose(n) lautet:

  • Zustand nach Entzugssyndrom bei Drogenmissbrauch der Mutter
  • Verdacht auf FAS (fetales Alkoholsyndrom)

Definition: vorgeburtlich entstandene Schädigung eines Kindes durch von der schwangeren Mutter aufgenommenen Alkohol.
Der MDK-Gutachter (m/w) stellt fest:

Item unauffällig/auffällig
Orientierung auffällig
Antrieb/Beschäftigung auffällig
Stimmung auffällig
Gedächtnis auffällig
Tag-/Nachtrhythmus unauffällig
Wahrnehmung und Denken auffällig
Kommunikation/Sprache unauffällig
Situatives Anpassen auffällig
Soziale Bereiche des Lebens wahrnehmen auffällig

Im sogenannten Assessment stellt der Gutachter (m/w) fest, dass folgende Verhaltens-auffälligkeiten bestehen:

2. Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen
3. Unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen
4. Tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation

Die Alltagskompetenz des Antragstellers ist im Sinne § 45 SGB XI in erhöhtem Maße eingeschränkt.

In seinem Befund zum Nervensystem/Psyche schreibt der Gutachter (m/w):

  • Beim Antragsteller kommt es immer wieder zu schweren aggressiven Durchbrüchen
  • Seine Konzentrationsfähigkeit ist gemindert, er ist schnell ablenkbar, hat einen ständigen Bewegungsdrang
  • Aufgrund der Verhaltensauffälligkeiten muss der Antragsteller ständig beaufsichtigt werden
  • Zu alltäglichen Verrichtungen muss er immer wieder aufgefordert und angeleitet werden
  • Laut Angabe der Mutter dauert bei ihm alles sehr lange

Jetzt raten Sie als pflegefachlicher Laie bitte, wie viel Zeitaufwand der Gutachter (m/w) der Mutter beim Waschen/Duschen zugestanden hat?!

Für das Waschen für die Unterstützung (Vor- und Nachbereiten des Waschens), die teilweise Übernahme und die Anleitung ganze sieben (7) Minuten. Für das Duschen ganze 14 Minuten. Die Beaufsichtigung, die laut Feststellung des Gutachters (w/m) ständig erforderlich ist, stellt er nicht fest!?

Laut Begutachtungsrichtlinien (BRi) muss der Gutachter (m/w) seine Feststellung unter Erläuterungen zum Hilfebedarf erklären. Er schreibt:

  • Der Antragsteller benötigt Anleitung und Hilfe bei der täglichen Körper-pflege, würde diese nicht ausreichend von alleine durchführen

Ach ja! Wir müssen noch den „natürlichen Hilfebedarf eines gleichaltrigen, gesunden Kindes“ bei der Pflegezeitbemessung berücksichtigen!

Bei einem 7 – 8 Jahre alten Kind wird von einem natürlichen Hilfebedarf beim Duschen/Baden/Ganzkörperwäsche von sechs Minuten täglich ausgegangen.

Der Gutachter (m/w) unterstellt tatsächlich, dass das Kind, welches aufgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten ständig beaufsichtigt werden muss einen sogenannten Mehrhilfebedarf im Vergleich zu einem gleichaltrigen, gesunden Kind von sieben Minuten beim Waschen und von 14 Minuten beim Duschen hat?

Insgesamt kommt der Gutachter (m/w) zu dem Schluss, dass die Mutter bei der Körperpflege, den Toilettengängen, dem Anziehen und Ausziehen weniger als 45 Minuten täglich benötigt.

Pflegestufe 2 statt Pflegestufe 0 nach Widerspruch

Erst nach dem die Mutter eine Widerspruchsbegründung mit Hilfe unserer pflegefachlichen Unterstützung eingereicht hat, kommt der nächste Gutachter (m/w) zu dem Ergebnis, das der Hilfebedarf in der Grundpflege doch die 45 Minuten überschreitet.

Der Gutachter (m/w) stellt nach dem Widerspruch einen täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege von 124 Minuten (Pflegestufe II) fest.

Widerspruch macht Sinn!

Aus der genehmigten Pflegestufe 0 (quasi abgelehnte Pflegestufe) wurde, nach einem durch uns unterstütztes Widerspruchsverfahren, die gerechtfertigte Pflegestufe II.

Lassen sie sich nicht verunsichern! Wenn Sie der Meinung sind, die Ablehnung der Pflegestufe oder die Einstufung in eine Pflegestufe entspricht nicht dem täglichen Hilfebedarf, den sie als Eltern/Pflegeeltern leisten müssen, lassen sie sich von neutralen Fachleuten des bundesweiten Pflegenetzwerkes beraten und das MDK-/MEDICPROOF-Gutachten prüfen und unabhängig bewerten. Es lohnt sich fast immer.

Meinung der Mutter

Hallo Herr Greitschus,

gut dass es Sie und das Team des bundesweiten Pflegenetzwerkes gibt! Sie helfen, wo Hilfe benötigt wird. Ich hätte mich alleine nicht gewagt, den steinigen Weg des Widerspruchs zu wählen. Dann bekam ich den Tipp mir Hilfe bei Ihnen zu holen. Danke, dass Sie mich ermutigt haben, der festgestellten Pflegestufe 0 zu widersprechen. Ich war zunächst sehr skeptisch, aber Sie haben mich überzeugt! Ohne Ihren kompetenten Widerspruch wären uns erhebliche Leistungen verwehrt geblieben. Ich wäre niemals in der Lage gewesen, meinen Widerspruch so fundiert zu argumentieren. Vielen Dank und weiter so! Von Pflegestufe 0 auf Pflegestufe 2 – Daumen hoch!

Susanne L., Nümbrecht